Mattgesetzt #1

veröffentlicht 31.05.2025

Fabian Czappa bittet Madeleine Schardt zum Gespräch über Frauenschach, Engagement im Verein und Erinnerungen an früher.

Fabian Czappa: Hallo Madeleine, schön bei euch im SK 1948 Niederbrechen zu sein! Was ist denn heute hier?

Madeleine Schardt: Hallo Fabian. Wir richten heute die Hessische Frauen-Blitz-Einzelmeisterschaft aus. Die Siegerin vom letztjährigen Turnier in Bensheim war für die Deutsche Meisterschaft 2024 qualifiziert, aber nicht für die diesjährige, welche sehr früh im Mai stattfand. Diese Qualifikation spielen wir heute aus.

Fabian: Was heißt denn „ausrichten“ bei einem solchen Turnier?

Madeleine: Es braucht eine Ausschreibung, für die es Vorlagen gibt. Die Räumlichkeiten haben wir zum Glück direkt im eigenen Vereinsheim zur Verfügung, genauso das Spielmaterial und die Uhren – wobei die vom HSV auch gestellt werden würden. Der HSV stellt bei so einem Qualifikationsturnier die Geldpreise. Es braucht wen mit Schiri-Schein, und ein paar, die beim Auf- und Abbau helfen. Bei einem so kleinen Turnier wie bei uns heute geht das ohne große Komplikationen.

Fabian: Ich sehe es. Ihr habt eine wunderbare Atmosphäre hier bei euch.

Madeleine: Da kommt einiges zusammen. Viele von uns Mädels kennen sich von früher. Lange her von früheren ZLs, von der Ländermeisterschaft in Braunfels, von den Frauenligen. Da haben wir beschlossen, dass wir Steffi bei der kurzfristigen Ausrichtung unter die Arme greifen, denn allein ist so etwas immer anstrengend. Du siehst ja, hier im Nachbarraum ist Platz zum Schnacken und Snacken. Einer bringt Kuchen mit, wer anderes Laugenstangen, und Getränke haben wir im Vereinsheim immer vorrätig. Da wird die Stimmung gleich lockerer.

Fabian: Apropos Vereinsheim: Für ein eigenes Heim würden einige Vereine viel geben. Wie kamt ihr dazu?

Madeleine: Hier auf dem „Dorf“ ist einiges anders als bei euch in der „Stadt“. Alle fünf Jahre richten wir die Kirmes mit aus, wenn mal die Heizung kaputt geht, die Fenster repariert werden müssen, oder geputzt werden muss, packen alle mit an. Hier steckt viel Arbeit drin. Zu den Mannschaftskämpfen bringen Vereinskameraden oder ich immer Gebäck mit, danach gehen wir fast immer zusammen essen. Einer schreibt den Bericht und gibt ihn an die Presse, der Nächste tippt alle Partien ab und stellt Aufgaben daraus. Und wenn es uns zu viel des Schachs wird, dann spielen wir eine Runde Skat oder Doppelkopf.  Allein geht’s auch hier nicht.

Fabian: Ich hab’s gemerkt: Ich bin über die Autobahn, die Landstraße, über drei Hügel und um drei Ecken zu euch gefahren. Wie ist euer organisiertes Schach im Bezirk 9 Lahn?

Madeleine: Wir sind der kleinste Bezirk in Hessen, haben die wenigstens Vereine und die wenigsten Mitglieder. Aber wir sind auch Grenzgebiet, heißt, wir pflegen gute Beziehungen nach Rheinland-Pfalz. Wir verabreden uns im Bezirk zu Turnierfahrten und unterstützen uns gegenseitig. In den letzten Jahren ist viel Jugend weggezogen, Ehrenamtliche haben aufgehört, und teils sind Funktionäre verstorben, was dazu führte, dass einige Vereine aufgelöst werden mussten. Das ist natürlich schade, aber auch ein Grund mehr, warum wir im Verein so aktiv sind!

Fabian: Du erzählst von früher. Was ist denn dein „früher“?

Madeleine: Angefangen habe ich im Schulschach in Weilburg, dann wurde ich 2000 Hessenmeisterin in der U16. Auf der DEM 2000 hat mich Uwe Kersten betreut, und mit 923 DWZ wurde ich 14.! Einer meiner schönsten Erfahrungen. Das wäre heute nicht mehr denkbar. Ich war noch zweimal in der U18 auf der DEM, bei einigen DLMs und DVMs, aber dann wurde es schwierig. Ü20 rutscht man aus den Jugendturnieren raus, und ich habe direkt angefangen zu arbeiten mit einer Ausbildung. Da ist die Zeit knapp, das Geld auch, und ich habe auch dann „relativ“ früh meine Kinder bekommen. 2009 war mein letztes Turnier damals – das U25 Open in Gernsheim, und auch das ZL als Teamerin in Bad Homburg.

Fabian: Ja, wir haben letztens bei der Recherche ein Bild von Simon beim Grillen von anno sonstwas gefunden …

Madeleine: … und er hat die Scheibe kaputt gemacht (beide lachen ausgiebig). Damals haben wir Zehnkämpfe gemacht, das waren super super Zeiten. Freizeitteam hat immer super Spaß gemacht, dann kam der Nachwuchs und ich habe nur ein wenig Mannschaft gespielt. 2023 habe ich wieder im Goldenen Springer angefangen zu spielen. Ich kam 2017 zurück in den Bezirk und diesmal nach Niederbrechen, weil ich hier noch viele von früher kenne. Jetzt bin ich wieder aktiv als Mannschaftsführerin, da hat sich auch das angesprochene Backen eingebürgert. Die anderen finden das ganz toll, ich mache das wirklich gerne; es ist eine Art Wertschätzung. Und die Mannschaft gibt mir mega viel zurück.

Fabian: Heißt, wir sehen uns demnächst öfters? Die Qualifikation zum nächsten Jahr steht noch an.

Madeleine: Mal sehen, ob die wieder getrennt sein wird, oder vielleicht am gleichen Ort wie die offene Blitz-Einzelmeisterschaft, aber in einem getrennten Turnier. Der direkte Vergleich ist viel besser als „Fernwertungen“. So oder so, die Atmosphäre muss stimmen. Grad wir Mädels wollen zwar immer Gleichberechtigung, aber betreuen dann doch noch häufiger die Kinder zu Hause. Da hätte ich mir das eine oder andere Turnier mit Kinderbetreuung gewünscht. Jetzt sind meine zwei groß und ich kann wieder länger weg. Einige aus dem Bezirk haben letzten Sommer ein Open gespielt, haben uns dann noch abends bei wem getroffen, um halb eins Kartoffelsuppe gefuttert, das war schon schön. Das Umfeld muss stimmen.

Fabian: Gehört in das Thema auch, dass Schach noch immer klar männerdominiert ist?

Madeleine: Ach, das finde ich gar nicht so schlimm. Ich mag das 😊. Oft gibt’s lustige Verwechslungen, auch wenn ich mit meiner Tochter bei Kinderturnieren war, und dabei einen anderen Jungen und seinen Papa mitgenommen habe. „Mensch ist das toll, dass ihr mit der GANZEN Familie anreist“. Das erheitert mich, es sind ja witzige harmlose Missverständnisse wie z.B. wenn man mit Vereinkollegen, die auch teils sehr gute Freunde sind auf Turnieren unterwegs ist: „Dein Mann hat ja einen ganz anderen Nachnamen als du“ „Ja, wir sind auch nicht verheiratet“. Auch wenn ich in einem ‚Männerberuf‘ gelernt habe und das gewohnt bin, dass nur wenig Frauen um mich herum sind, da finde ich es gar nicht schlimm, wenn man ab und an mal ein geschlossenes Turnier wie heute hat. Ich mag beides, die Stimmung muss passen!

Fabian: Danke für die Einblicke und deine Zeit! Hast du noch letzte Worte?

Madeleine: Ich finde, wir alle brauchen ein tolles Netzwerk. Im Verein, im Bezirk, im Verband. Für Ausschreibungen, für Feiern, für Turniere, für News, fürs Helfen. Ich wünsche mir einen Info-Channel vom HSV für hessische Dinge. Mach du doch mal! 😉

Temporäre Information: Im Sinne des Schachs gehört in die Reihe "Mattgesetzt" auch jeweils eine Schachpartie 3+2s. Bis wir eine korrekte Einbindung der PGN in diesen Beitrag bereitstellen können, ist diese in einer Lichess-Studie zu finden: https://lichess.org/study/xjynyLav

Information: Mit meinem Sieg ist das laufende Result der Blitzpartien bei 1:0 für mich. Habt auch ihr etwas zum organisierten Schach in Hessen zu sagen, oder kennt jemanden, der dies hat? Meldet euch gerne unter oeffentlichkeitsarbeit@hessischer-schachverband.de